Abfallende am Prüfstand des EuGH

Abfälle können unter gewissen Umständen ihre Abfalleigenschaft wieder verlieren und so als „Produkt“ wieder Teil des Wirtschaftskreislaufs werden.

Nach der österreichischen Rechtslage, konkret § 5 (1) Abfallwirtschaftsgesetz (AWG 202), gelten Abfälle so lange als Abfälle, bis sie oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe unmittelbar als Substitution von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten verwendet werden.
Nach den Bestimmungen des Art 6 Abfallrahmenrichtline endet die Abfalleigenschaft hingegen dann, wenn der Abfall ein Verwertungsverfahren durchlaufen hat und
a) der Stoff oder Gegenstand für bestimmte Zwecke verwendet werden soll;
b) ein Markt für diesen Stoff oder Gegenstand oder eine Nachfrage danach besteht;
c) der Stoff oder Gegenstand die technischen Anforderungen für die bestimmten Zwecke einhält und den bestehenden Rechtsvorschriften und Normen für Erzeugnisse genügt und
d) die Verwendung des Stoffs oder Gegenstands insgesamt nicht zu schädlichen Umwelt- oder Gesundheitsfolgen führt.

Im Anlassfall betreibt ein Unternehmen in Österreich eine Großindustrieanlage zur Herstellung von Papier und Zellstoff. An diesem Standort befindet sich auch eine Kläranlage, die das Unternehmen gemeinsam mit dem Wasserverband betreibt und in der Abwasser aus der Papier- und Zellstoffproduktion sowie kommunales Abwasser behandelt werden. Bei der vorgeschriebenen Behandlung des Abwassers fällt Klärschlamm an. Der in der Kläranlage anfallende Klärschlamm wird anschließend in einem Kessel des Unternehmens oder in einer vom Wasserverband betriebenen Reststoffverbrennungsanlage verbrannt und der erzeugte Dampf wird der Energiegewinnung für die
Papier- und Zellstofferzeugung zugeführt.

Nach österreichischem Recht tritt Abfallende durch die Verbrennung des Klärschlamms ein, da durch die Verbrennung unmittelbar eine Substitution von Rohstoffen erfolgt.
Würde Abfallende bereits früher eintreten, würde es sich bei der gegenständlichen Verbrennung nicht um eine Abfallbehandlung handeln und kämen nicht die Bestimmungen des AWG 2002 zur Anwendung.

Die Frage, ob entgegen den österreichischen Bestimmungen Abfallende iSd Art 6 der Abfallrahmenrichtlinie bereits vor der Verbrennung eintreten kann, wurde dem EuGH zur Beantwortung vorgelegt.
Der EuGH führt aus, dass eine Änderung der Abfalleigenschaft voraussetzen würde, dass die zur Verwertung durchgeführte Behandlung es ermöglicht, Klärschlamm zu gewinnen, der dem nach der Abfallrahmenrichtline gebotenen hohen Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt gerecht wird, also insbesondere frei von jeglichen gefährlichen Stoffen ist. Zu diesem Zweck ist sicherzustellen, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Klärschlamm unschädlich ist.
Es ist auf der Grundlage einer wissenschaftlichen und technischen Analyse zu prüfen, ob der Klärschlamm die gesetzlichen Grenzwerte für Schadstoffe einhält und ob seine Verbrennung insgesamt zu schädlichen Umwelt- oder Gesundheitsfolgen führt.
Im Rahmen dieser Beurteilung sind insbesondere die Umstände von Bedeutung, dass die bei der Verbrennung des Klärschlamms erzeugte Wärme im Rahmen eines Verfahrens zur Herstellung von Papier und Zellstoff weiterverwendet wird und dass ein solches Verfahren einen erheblichen Vorteil für die Umwelt bietet, da verwertete Materialien zur Erhaltung der natürlichen Rohstoffquellen und zur Schaffung einer Recyclingwirtschaft verwendet werden.
Der EuGH kommt schließlich zum Ergebnis, dass, sollte das vorlegende Gericht auf der Grundlage dieser Prüfung feststellen, dass die Voraussetzungen des Art 6 Abfallrahmenrichtline bereits vor der Verbrennung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Klärschlamms erfüllt sind, davon auszugehen wäre, dass der Klärschlamm nicht als Abfall anzusehen ist.

Mittlerweile hat das vorlegende Landesverwaltungsgericht Steiermark festgestellt, dass der gegenständliche Klärschlamm bereits vor der Verbrennung die Voraussetzungen des Art 6 der Abfallrahmenrichtlinie erfüllt, daher das Abfallende bereits vor der Verbrennung eingetreten ist. Die verfahrensgegenständliche Änderung der Betriebsanlage ist daher nicht nach den Bestimmungen des AWG 2002 zu beurteilen, es besteht keine diesbezügliche Bewilligungspflicht.

Es ist davon auszugehen, dass diese Entscheidung weitreichende Folgen hat und wird der österreichische Gesetzgeber wohl nicht umhinkommen eine Änderung der österreichischen Bestimmungen vorzunehmen.